SZ Reporter Mario Heinke erfährt sich selbst (SZ, 4. Mai 2016)
Konzentriert und bemüht, die korrekte Körperhaltung einzunehmen, finde ich mich auf einer Gummimatte im Birkenhof wieder. Weil in Hartaus ehemaliger Kita ein Yogazentrum entsteht, nehme ich an einer Yogastunde teil, um zu erfahren, wie sich das anfühlt. „Beine durchdrücken, gerade sitzen, Fuß zum Körper“, sagt Mike Wohne geduldig und drückt mit seiner Hand auf meine Füße, während ich den Oberkörper weiter beuge. Die Kniekehlen brennen, die Ober- und Unterschenkelmuskulatur ist angespannt. „Einatmen, Ausatmen“, brummt Wohne leise. Die Vorwärtsbeuge, die mir die eigene Unbeweglichkeit schmerzvoll vor Augen führt, ist eine von zwölf Figuren, die der Yogameister in seinen Anfängerkursen vermittelt. Am Beginn solch eines Kurses steht immer die Entspannung.
In der Totenstellung, die Handflächen nach oben gerichtet liege ich regungslos mit geschlossenen Augen – wie eine Leiche im „Tatort“ – auf dem Boden. Das leise Lied einer Sängerin und die sonore Stimme des Meisters sind im Hintergrund zu hören. Er sagt mir, mit den Zehen beginnend, welche Körperteile ich fühlen und spüren soll. Die Konzentration auf die vielen Körperteile fällt mir schwer. „Yoga ist das zur Ruhe kommen der Gedanken im Geist“, sagt Wohne. Sich einzulassen, Zeit zu nehmen, das gelinge am Anfang den wenigsten. Ein typisches Anfängerproblem, so der Zittauer. „Wir stehen ständig unter Strom. Entspannen, den Geist zu konstituieren, ist das Wichtigste“. Die Entspannung endet nach einer gefühlten halben Stunde mit dem Gong der Klangschale. Ich erlerne den „Sonnengruß“. Die Bewegungsabfolge mit Hund, Katze, Kobra und so weiter bekomme ich selbst nach mehrfacher Wiederholung nicht ganz fehlerfrei hin. Die Atmung mit den Bewegungen in Einklang zu bringen, gelingt mir noch weniger. Es folgen Umkehr-, Beuge-, Dreh- und Balanceübungen, die immer wieder von Lockerungen unterbrochen werden. Der Meister achtet akribisch darauf, mich nicht zu überfordern. „Wenn es wehtut, aufhören“, sagt er fürsorglich und ergänzt: „Du musst niemandem etwas beweisen“. Seit sieben Jahren beschäftigt sich Mike Wohne fast ausschließlich mit Yoga, verbrachte die meiste Zeit in Indien und Thailand. Der Pädagoge ist geprüfter Yogameister und besitzt ein Zertifikat der Indischen Yogalehrerallianz. Nun möchte er sein Wissen weitergeben, Yogalehrer aus dem In- und Ausland in Hartau ausbilden und Yogakurse für jedermann anbieten. Dazu pachtete er die ehemalige Kindertagesstätte, die derzeit umgestaltet wird. Zwei Yogaräume, ein Massageraum und eine Bibliothek ließ Wohne mit Lehm verputzen, um das Raumklima zu verbessern. Im Eingangsbereich begrüßt der Elefantengott Ganesha die Besucher. Die Skulptur aus Indonesien wiegt eine halbe Tonne, ist mit dem Schiff nach Europa gekommen und im Flur der Mittelpunkt einer Art von Altar. „Bevor ein Inder den Tempel betritt, huldigt er Ganesha“, erzählt Wohne. Der Elefant steht für Kraft, Durchsetzungsvermögen, Energie und ist ein passendes Accessoire im Yogazentrum. Im September beginnt der offizielle Ausbildungsbetrieb. Am Mittwoch nach Pfingsten lädt Mike Wohne, der auch Gründervater der Schkola ist, alle Interessierten zu einem „Tag der offenen Tür“ in den Birkenhof ein. Ziel des Yoga sei die Erleuchtung, sagt der Meister. Die habe ich bei dem Schnupperkurs nicht gefunden, meinem Körper taten die Übungen aber gut.
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